Gasisolierte Gleichspannungssysteme

Projektleitung

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Dipl.-Ing. Martin Hallas

Vorstellung des HGÜ Testfeldes in Griesheim

Eröffnung des neuen HVDC Testfeldes in Griesheim

Hintergrund:

Gleichstrom oder Wechselstrom? Die Frage bestand bereits Ende des 19. Jahrhunderts zwischen Edison und Tesla. Damals gewann der Wechselstrom, weil man ihn auf hohe Spannungen transformieren und damit über weite Strecken verlustarm transportieren kann. Heute im 21. Jahrhundert stellt sich die Frage erneut. Über weite Strecken stößt Wechselstrom an seine Grenzen, da vor allem Kabelanlagen wegen ihrer hohen Blindleistung nur geringe Strecken überbrücken können.

Die kurze Reichweite von erdverlegten Wechselspannungsanlagen ist eine Hürde, die sich bei der zukünftigen Energieversorgung in Deutschland stellt. Auch durch den Ausbau regenerativer Energien müssen immer größere Leistungen über weite Strecken vom windreichen Norden in den industriestarken Süden Deutschlands transportiert werden. Dabei favorisiert ein Großteil der Bevölkerung erdverlegte Leitungen gegenüber konventionellen Freileitungen. Eine mögliche Lösung dieser Problematik und Alternative zu Kabeln: Gasisolierte Gleichspannungssysteme. Diese bieteten mehrere Vorteile gegenüber klassischen Kabelanlagen, bspw.:

  • Kompaktheit einer gasisolierten Anlage
  • Höhere Stromtragfähigkeit aufgrund der besseren Konvektion innerhalb der Anlage
  • Deutlich verringerte Trassenbreite in Vergleich zu Kabelanlagen gleicher Leistung durch die höhere Stromtragfähigkeit
  • Kurzschlussfeste Installation
  • Selbstheilende Isolation im laufenden Betrieb
  • Keine Schwachstellen durch Verbindungsmuffen

Motivation

Ein Gelingen der Energiewende steht in direktem Zusammenhang mit dem elektrischen Netzausbau in Deutschland. Durch die Nutzung von Windenergie im Norden Deutschlands müssen große Strommengen vom Norden in die Verbrauchsschwerpunkte im Süden Deutschlands transportiert werden.

Zur Umsetzung dieses Vorhabens und zur Netzintegration der erneuerbaren Energien sind von der Politik und in der Bevölkerung unterirdische Leitungen favorisiert. Mit der bestehenden Wechselstromtechnik ist eine unterirdische Leitungsführung über mehrere 100 km technisch und wirtschaftlich jedoch kaum zu realisieren. Daher müssen neue Fernübertragungs-Technologien erforscht werden, um die zukünftige Energie-versorgung Deutschlands sicherzustellen.

Einen vielversprechenden Ansatz zur Lösung der Problematik stellen gasisolierte Gleichstrom-Übertragungsleitungen („DC GIL“ – Direct Current Gas-insulated Transmission Lines) dar.

DC-GIL

Abbildung 1: Typische Trassenbreiten und maximale Übertragungs-leistungen von Übertragungssystemen [1]
Abbildung 1: Typische Trassenbreiten und maximale Übertragungs-leistungen von Übertragungssystemen [1]

DC GIL bieten gegenüber anderen Technologien den Vorteil, dass hohe Übertragungsleistungen mit deutlich reduzierten Trassenbreiten realisiert werden können. Abbildung 1 zeigt die Relationen. Bei Freileitungen können bei einer Trassenbreite von 60 Metern ca. 3000 MW Leistung übertragen werden. Dies entspricht in etwa der Breite eines Fußballfeldes. Bei DC GIL hingegen können durch die hohe Stromtragfähigkeit und die kompakte Bauform 5000 MW auf einer Breite von 6 Metern verlegt werden. Dies entspricht der Übertragung einer Leistung von 4 bis 5 großen Kraftwerksblöcken auf der Breite eines Fußballtors.

Abbildung 2: Komponenten einer DC GIL [1]
Abbildung 2: Komponenten einer DC GIL [1]

Wenn die gasisolierte Gleichstromübertragungstechnik einsatzreif ist, könnten Teile der Übertragungstrassen durch Deutschland zum einen unterirdisch, zum anderen deutlich kompakter und wirtschaftlicher realisiert werden als mit den derzeit ins Auge gefassten Technologien (Freileitung, Kabel). Ein erheblich reduzierter Landschaftsverbrauch und geringere Sichtbarkeit wären die positiven Folgen. Eine gasisolierte Leitung besteht aus einer metallischen Kapselung und einem metallischen Innenleiter. Die Kapselung sorgt dafür, dass das Isoliergas innerhalb der Leitung unter Druck stehen kann, und sie verhindert das Auftreten elektrischer Felder außerhalb der Leitung. Der zentrale Innenleiter befindet sich auf Hochspannung und wird durch Feststoffisolatoren gestützt. Diese bestehen aus Gießharz und gehören zu den speziell für Gleichspannung neu entwickelten Bauteilen innerhalb der Leitung. Die Komponenten werden vormontiert und auf der Baustelle zusammengeschweißt. Der prinzipielle Aufbau einer GIL ist in Abbildung 2 dargestellt.

„DC CTL DBI“: Forschung in Griesheim

Abbildung 3: Blick in die Hochspannungshalle in Griesheim
Abbildung 3: Blick in die Hochspannungshalle in Griesheim

In diesem Projekt werden die neuartigen gas-isolierten Gleichstromübertragungsleitungen er-forscht. Dazu wird eigens für das Vorhaben eine Versuchsanlage errichtet, in der die weltweit erste DC GIL (Hersteller: Siemens) mit einer Gesamtlänge von insgesamt 250 m, teilweise direkt erdverlegt, einem Langzeitversuch unter realistischen Betriebs-bedingungen unterzogen wird. Die Prüfhalle und die Prüftechnik werden durch die TU Darmstadt errichtet, die DC GIL Versuchstrasse durch die Siemens AG.

Alle dielektrischen Untersuchungen werden durch die TU Darmstadt durchgeführt. Innerhalb der eigens dafür errichteten Prüfhalle sind alle Hochspannungsprüfeinrichtungen untergebracht. Darunter fallen eine Gleichspannungs- und eine Gleichstromquelle sowie die gesamte Mess- und Prüftechnik. Ebenfalls findet ein Stoßspannungsgenerator zur Erzeugung von Überspannungen Platz. Abbildung 3 gibt einen Überblick. Die technischen Daten der Prüfanlage lauten:

DC Nennspannung GIL ±500 kV
DC Nennstrom GIL 5000 A
Max. DC Prüfspannung („U“) ±825 kV
Max. Stoßspannung („OSI“/„OLI“) 1425 kV
DC Prüfnennstrom („I“) 5000 A

Neben der weltweit einmaligen DC GIL wird im Projekt ebenfalls eine neue Prüftechnik entwickelt. Zur dielektrischen Prüfung der Leitung unter realistischen Bedingungen ist beispielsweise eine Spannung von 550 kV bei einem Strom von 5000 A notwendig, was rechnerisch einer Leistung von 2,75 GW entspricht. Für die Bereitstellung dieser Leistung wären drei große Kraftwerksblöcke erforderlich. Um diesen Bedarf auf die Leistung eines 200-PS-Motors zu reduzieren, wurde eine „synthetische“ Prüfmethode entwickelt, mit der die Spannung und der Strom mit einem neuartigen Generator (von der TU Darmstadt als Patent angemeldet) getrennt voneinander erzeugt und eingeprägt werden.

Überspannungen im Netz durch Schalthandlungen oder Blitzeinschläge werden mit Stoßspannungen geprüft. In diesem Projekt werden diese Überspan-nungen bei anliegender Gleichspannung direkt auf den Prüfling geschaltet. Auch diese Prüftechnik stellt eine Neuentwicklung dar. Erstmalig soll hier oszillierende Stoßspannung (OLI, OSI) verwendet werden, denn anders wären Prüfungen an solch langen Leitungen nur schwer realisierbar.

Die DC GIL Versuchstrasse wird in Griesheim durch die Siemens AG erstmals unter realen Baustellenbedingungen errichtet. Als weitere Forschungsschwerpunkte sind Untersuchungen im Bereich der Bodenmechanik am erdverlegten Teil der Versuchstrasse geplant. Hierfür werden durch die Geotechnik-Experten um Prof. Dr.-Ing. Thomas Neidhart der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) Extensiometer und Glasfasern zur Bestimmung der thermischen Ausdehnung der DC GIL im Langzeitbetrieb eingesetzt und die Kräfte auf die Rohre im Erdreich bestimmt. Ebenfalls werden die Temperaturen innerhalb und außerhalb der DC GIL während der verschiedenen Betriebszustände durch die OTH Regensburg ermittelt und die Berechnungsmethoden durch diesen praktischen Versuch verifiziert.

Für die Zustandsbeurteilung der DC GIL werden außerdem durch die Forscher der TU Darmstadt in Kooperation mit weiteren Experten der TU Berlin um Prof. Dr.-Ing. Roland Plath und mit Messtechnik-Firmen sogenannte Teilentladungs-Messungen während des Hochspannungs-Betriebs durchgeführt und laufend ausgewertet.

Das Versuchsprogramm bildet in der Summe ein Langzeitversuch mit der Nachbildung realer elektrischer, thermischer und mechanischer Betriebs-bedingungen, womit diese Leitungstechnologie als eine Option zur Fernübertragung elektrischer Energie qualifiziert wird.

Damit wird ein entscheidender Beitrag zum Gelingen der Energiewende geleistet.

Schwerpunkt der Arbeit:

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt in der Entwicklung der Prüftechnik, sowie der Planung und Durchführung eines geeigneten Langzeitversuches für gasisolierte Gleichspannungssysteme. Der Langzeitversuch soll den späteren Betrieb solcher Systeme abbilden, welche typischerweise im Bereich von ca. 40 Jahren angegeben wird. Die geplanten Versuche gliedern sich wie folgt:

  • Dauerversuche zur Untersuchung des Langzeitbetriebsverhaltens
  • Überlagerte Stoßspannungsversuche zur Simulation des Fehlerfalls

Um während des Versuches den Nennbetrieb nachbilden zu können, muss die Anlage gleichzeitig mit Strom und unter Spannung betrieben werden. Die Speisung mit elektrischem Strom sorgt für die Erwärmung der Anlage, die Speisung mit elektrischer Spannung sorgt für eine dielektrische Beanspruchung und eine Polarisation der Isolation. Dabei beeinflusst die Stromwärme auch die elektrische Feldsteuerung innerhalb der Feststoffisolatoren gasisolierter Gleichspannungssysteme. Die Feldsteuerung der Feststoffisolatoren erfolgt resistiv über den (sehr hohen) ohmschen Widerstand. Dieser ist temperaturabhängig, wodurch negative Einflüsse durch die Kombination von Strom und Spannung auftreten können. Demnach kann ein realer Anlagenbetrieb nur abgebildet werden, wenn Strom und Spannung gleichzeitig auf die Anlage gegeben werden.

Die größte Herausforderung bei dieser Anforderung liegt hierbei in der Prüftechnik, insbesondere in der Stromeinprägung auf Hochspannungspotential. Hierzu muss eine Stromquelle auf Hochspannungspotential arbeiten und einen gleichgerichteten Hochstrom erzeugen. Gleichzeitig muss die Stromquelle über einen Übertragungsweg von Erde versorgt werden. Das komplette System muss hierbei für Gleichspannung funktionieren. Für Generatoren dieser Art existieren keine bekannten Prüfanlagen.

Quellen:

[1] Siemens AG – Gasisolierte Übertragungsleitungen, Website: Siemens.com/GIL

Die TU Darmstadt bedankt sich bei dem IWB-EFRE-Programm des Landes Hessen (Fördernummer 20002558) für die große Unterstützung dieser Arbeit.

Die Siemens AG, Business Unit „Transmission Solutions“ bedankt sich beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie für die große Unterstützung der Forschungsarbeiten im Projekt „DC CTL DBI“ (Förderkennzeichen: 03ET7546)